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Karnismus: Warum wir manche Tiere lieben und andere essen

Das unsichtbare Glaubenssystem hinter unserer Ernährung
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Kennst du auch diese skurrilen und widersprüchlichen Situationen: der Hundebesitzer, der seinen vierbeinigen Freund abgöttisch liebt, aber keine Gewissensbisse hat, sich beim abendlichen Grillen ein Stück Schweinenacken zu gönnen?

 

Oder die Katzenliebhaberin, die emotions- und gedankenlos dem Schweinetransporter bei der Vorbeifahrt zusieht, während sie zu Hause ihren Stubentiger wie das eigene Kind verhätschelt?

„Absurd!“ sagst du?

Tja, das ist es wohl, aber es ist auch Alltag und definitiv ist es ein Widerspruch, das eine Tier zu lieben und das andere zu essen. Ein Widerspruch, der den meisten Menschen nicht bewusst ist oder den sie sich willentlich nicht bewusst machen wollen.

Die Ideologie, die hinter diesem leider weit verbreiteten Phänomen steckt, ist unter dem Begriff „Karnismus“ bekannt.

Was genau sich dahinter verbirgt, verrate ich dir in diesem Artikel.


Die Ideologie der „essbaren“ und „nicht essbaren“ Tiere


Karnismus Kühe

Wie kommt es also dazu, dass die meisten Menschen derartige Situationen nicht hinterfragen und zudem darauf konditioniert sind, bestimmte Tiere zu essen und andere nicht?

Die amerikanische Psychologin Melanie Joy ist dieser Fragestellung nachgegangen und prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des „Karnismus“.

Dieser setzt sich zusammen aus „Karn“, was so viel bedeutet, wie „Fleisch“ oder „aus Fleisch“, und „ismus“, was auf ein Glaubenssystem verweist, das den Gegensatz zum Veganismus darstellt.

Dieses unsichtbare Glaubenssystem konditioniert Menschen von Kindheit an darauf, bestimmte Tierarten zu essen.

Tiere werden demnach in die Kategorien „essbar“ und „nicht essbar“ einsortiert.


Gesellschaftliche Parameter


Diese Kategorisierung erfolgt aufgrund der Parameter der Gesellschaft, in der man aufwächst.

Insofern gibt es deutliche Unterschiede im Hinblick darauf, welche Tiere als Nahrung angesehen werden und welche nicht.

Beispielsweise werden Hunde in vielen asiatischen Kulturkreisen gegessen, wohingegen dies in anderen Gegenden der Welt undenkbar wäre.

Mit Kühen, die in Indien als heilig gelten, in der westlichen Welt aber verspeist werden und mit Schweinen, die von Juden und Muslimen vermieden werden, aber bei uns täglich auf dem Esstisch landen, verhält es sich ähnlich.

Du siehst schon: Je nachdem, wo man aufwächst, nimmt man unterschiedliche Überzeugungen an, welche Tiere als essbar gelten und ob sie grundsätzlich als Nahrung angesehen werden.

Melanie Joy möchte damit klar machen, dass die Tatsache, dass wir es als selbstverständlich ansehen, Tiere zu essen, keinem biologischen Gesetz folgt, denn Tiere zu essen ist für den Menschen nicht überlebensnotwendig, sondern wir allein entscheiden uns dafür on – und wenn ja – welche Tiere wir essen.

Insofern kann der Karnismus ihrer Ansicht nach durchaus als Überzeugung oder Ideologie angesehen werden und keinesfalls als Naturgesetz (Stichwort: „Der Mensch ist nun mal ein Felischesser.“), wie von den Befürwortern einer tierischen Ernährung oftmals argumentiert wird.


Die Verteidigungsmechnismen des Karnismus


Die meisten Menschen sind jedoch empathisch genug, Tierleid, wenn möglich, verhindern zu wollen.

Allerdings steht dies in einem deutlichen Widerspruch zu ihrem Konsum tierischer Produkte.

Ein wichtiger Teil des Phänomens „Karnismus“ ist daher das Ausschalten oder Unterdrücken des Mitgefühls für das gequälte oder getötete Tier.

Um diesen inneren Widerspruch zu rechtfertigen, bedienen sich karnistisch lebende Menschen hauptsächlich dreier dominanter Verteidigungsmechanismen: der Leugnung, der Rechtfertigung und der Wahrnehmungsverzerrung.


Leugnung


Der Hauptmechanismus der Leugnung geht dabei oftmals mit dem Prinzip der Unsichtbarkeit einher: Die Produktion tierischer Produkte findet außerhalb des Alltags und der Lebenswelt der meisten Menschen statt.

Die Umstände, die damit verbunden sind, sind nicht gegenwärtig und werden nur selten publik gemacht.

Tiere tauchen als anonyme Zahlen in Kilogrammangaben in Statistiken auf und werden in Verpackungen verkauft, die den tierischen Ursprung ihres Inhalts oft kaum noch erahnen lassen oder stark beschönigen.

Ein weiterer Bestandteil dieses Abwehrmechanismuses ist das Ausblenden offensichtlicher Nebenwirkungen des omnivoren Lebens, wie die zunehmende Zerstörung der Umwelt oder auch die negativen gesundheitlichen Aspekte des Fleischkonsums.


Rechtfertigung


Aber selbst wenn diese Probleme erkannt und benannt werden, greift in der Regel ein weiterer Verteidigungsmechnismus in Form der Rechtfertigung des Karnismus durch Mythen oder Fakten, die sich im wesentlichen laut Melanie Joy zu den „Drei Ns der Rechtfertigung“ zusammenfassen lassen: Tiere essen sei normal, natürlich und notwendig.

Diese Überzeugungen sind gewöhnlich von allen gesellschaftlichen Institution, von der Familie bis zum Staat, anerkannt und werden durch diese aufrechterhalten („Milch ist gut für die Knochen!“, „Fleisch macht stark!“).


Verzerrung der Wahrnehmung


Als letzter karnistischer Verteidigungsmechanismus gilt die Verzerrung der Wahrnehmung.

Dazu gehört, dass Tiere vielfach als Objekte und nicht als Individuen angesehen werden.

Auch die Kategorisierung von Tieren, denen es angeblich an Individualität und Persönlichkeit fehlt in Nutztiere, im Gegensatz zu den geliebten Haustieren, fällt in diesen Bereich.

Dass diese Einteilung rein willkürlich ist und absurde Schlußfolgerungen nach sich zieht („Hunde kann man streicheln, deshalb esse ich Hundefleisch nicht!“) liegt auf der Hand.

Am Ende führt all dies dazu, das die karnistische Sichtweise Menschen dazu veranlasst, die Verantwortung für ihr eigenes Handeln und damit über Leben und Tod anderer Individuen einer gesellschaftlichen Ideologie unterzuordnen, die tief in uns verwurzelt ist, aber nicht als solche wahrgenommen wird.


Und nun?


Jetzt fragst du dich sicher, was man mit diesem Wissen anfängt, oder?

Grundsätzlich hast du nun eine Erklärung an der Hand, warum und welche Tiere von Menschen eines Kulturkreises als Nahrung angesehen werden und warum dies andernorts nicht so ist.

Außerdem kann es dir helfen, omnivore Menschen und deren Rechtfertigungsmechanismen besser zu verstehen, wenn du dich das nächste Mal mit ihnen über ihre Ernährungsgewohnheiten unterhältst.

Möglicherweise wirst du damit keinen Fleischesser von einer vegetarischen oder veganen Lebensweise überzeugen können, aber nun kennst du die Beweggründe und kannst ihnen argumentativ besser begegnen.

Und wer weiß: vielleicht gibt es ja doch diesen einen kleinen Funken, der dein Gegenüber langfristig zum Umdenken bewegen kann …


Mehr Informationen und das Buch zum Thema


Wenn ich dich mit diesem Beitrag neugierig gemacht haben sollte und du mehr über das Thema „Karnismus“ erfahren möchtest, kann ich dir folgende Webseiten empfehlen:


Karnismus Melanie Joy TitelDas Buch von Melanie Joy „Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen: Karnismus – eine Einführung“ ist bei compassion media erschienen und hat 230 Seiten.

Du kannst es als Taschenbuch für € 16,- oder als Kindle-Edition für € 9,90 direkt hier bei Amazon bestellen.*


Was wusstest du schon über Karnismus? Poste jetzt deinen Kommentar!


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2 Kommentare
  • Thomas K
    Dienstag, 2. Juni 2020

    Ich persöhnlich lebe als „Ex-Allesfresser“ jetzt als Flexitarier. Ich verstehe sehr gut deine Meinung und finde sie richtig. Allerdings habe ich für mich festgestellt, dass ich diesen Teil in mir, den triebhaften und animalischen Urmenschen, nicht auf Dauer unterdrücken kann. Nach einem Jahr als Vegetarier dachte ich erst, diese Gelüste nach Fleisch wären nur aus Gewohnheit da. Aber irgendwann habe ich mich noch genauer als vorher darüber belesen. Und als ich schließlich feststellte, dass sogar Jesus Fisch und Fleisch gegessen hat, habe ich aufgehört, mich selbst zu belügen. ich akzeptiere diesen animalischen Teil in mir. Jetzt esse ich bewusst kein Billigfleisch mehr, sondern nur qualitativ hochwertiges Biofleisch. Vielleicht zwei, dreimal im Monat. Und ich komme mit meinem Gewissen klar und muss mich nicht mehr selbst belügen.
    Aber Essen ist eine sehr persöhnliche Angelegenheit und jeder sollte selbst entscheiden, was ihm guttut und was er essen will. Trotzdem bin ich nach wie vor gegen Massentierhaltung und ähnliches.

    • Jens
      Dienstag, 2. Juni 2020

      Hallo Thomas,

      vielen Dank für deine Kommentar und deine reflektierte Sicht auf die Dinge. Ich kann deine Position nachvollziehen, wenngleich es mir natürlich lieber wäre, wenn Menschen kein Fleisch verzehren würden. Danke dennoch für deine Offenheit und deine Argumente.

      Liebe Grüße

      Jens

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